Wie kalkuliere ich meinen Stundensatz als Freelance-Recruiter?

Wie kalkuliere ich meinen Stundensatz als Freelance-Recruiter?

Wenn du dich selbstständig machst und als Freelance-Recruiter deinen ersten Auftrag angehst, kommt die Frage auf, welchen Stundensatz du verlangen kannst. Dabei kannst du allerdings nicht davon ausgehen, was du bisher als Angestellter verdient hast. Die finanzielle Ausgangslage als Freelancer ist nämlich eine andere. Wie diese genau aussieht und welchen Stundensatz du verlangen solltest, klären wir in diesem Artikel. 

Umsatz ist nicht gleich Gewinn

Als Selbstständiger bildet der Stundensatz die Grundlage für deinen Umsatz. Dieser ist jedoch noch nicht dein Gewinn oder dein Einkommen, von dem du lebst. Als Angestellter wurde dir viel von deinem Arbeitgeber gestellt. So z. B. der Arbeitsplatz mit PC und Bildschirm, die Lizenz des LinkedIn-Recruiters und ähnliche Tools, oder auch die anteilige Zahlung der Sozialversicherung. Als Selbstständiger trägst du diese Kosten selbst. Darauf kommen weitere Kosten wie Marketing-, Reisekosten und Versicherungen. 

Im Folgenden zeige ich dir eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die dir die Kalkulation deines Stundensatzes erklären wird. Dieser ist unter dem Strich nämlich eine ganz einfache wirtschaftliche Rechnung.

Kalkulation des Stundensatzes 

Vorab gilt es, sich einen Überblick über alle Kosten zu machen, mit denen du dich privat wie (zukünftig) geschäftlich konfrontiert siehst. 

Private Ausgaben

Um deine privaten Ausgaben realistisch einzuschätzen, verschaffe dir einen möglichst genauen Überblick über deine aktuelle und vergangene finanzielle Situation. Dies erreichst du bspw. indem du dir den größtmöglichen Zeitraum für einen Kontoauszug bei deiner Bank ziehst. Was bezahlst du für Miete, Strom und Essen? Was bezahlst du für dein Auto? Welche Versicherungen müssen bezahlt werden? Welche Spontankäufe finanzierst du? 

Dies ist ein guter Punkt, sich über seine eigenen Ausgaben genauer bewusst zu werden und ggf. auch ein bisschen aufzuräumen. Aber auch in die Zukunft zu blicken und zu überlegen, ob größere Investitionen oder bspw. auch Familienplanung ansteht. Dies sollte alles vorab bedacht und in deinem wirtschaftlichen Vorhaben abgebildet werden.

(Zukünftige) geschäftliche Ausgaben

Als Freelancer wirst du weiterhin mit Ausgaben konfrontiert, die du als Angestellter nicht hast. So z. B. Recruiting-Tools oder Reisekosten. Mache dir daher bewusst, was du zur Umsetzung deines geschäftlichen Erfolgs benötigst. Gehe dazu einmal gedanklich durch, was es alles braucht, um deinen Job zu erledigen. Nachfolgend liste ich dir einige Themenfelder mit Anregungen auf:

Recruiting

  • Welche Tools nutzt du, um deinen Recruiting-Erfolg zu erreichen?
  • Benötigst du einen LinkedIn-Recruiter / XING-Talentmanager oder reicht dir Google Sourcing?
  • Benötigst du weitere Software (wie Microsoft Office) oder Zugänge zu digitalen Plattformen?

Abrechnung

  • Schreibst du deine Rechnungen über ein (zahlungspflichtiges) Tool oder mit Microsoft Word?
  • Was kostet dein Geschäftskonto?

Marketing & Vertrieb

  • Wie erreichst du deine Kunden (siehe: Vertrieb für Introvertierte)?
  • Planst du den Besuch von Messen & Events? Rechnet sich der Besuch wirtschaftlich für deine Unternehmung? 

Infrastruktur

  • Benötigst du ggf. ein Büro mit entsprechender Ausstattung?
  • Benötigst du ggf. einen Zugang zu einem Coworking-Space?
  • Welche Ausgaben hast du für technische Infrastruktur wie PC / Laptop und Smartphone? Wie oft musst du diese ersetzen?

Reisen

  • Welche geschäftlichen Reisen können auf dich zukommen?
  • Benötigst du ggf. einen Firmenwagen? 
  • Welche Kosten veranschlagst du für Hotelübernachtungen etc.?

Steuern

  • Benötigst du einen Steuerberater, der dich bei der Erstellung deiner Steuererklärung und sonstigen steuerlichen Fragen unterstützt?
  • Welche Kosten kannst du steuerlich absetzen?

Weiterbildungen

  • Welche Weiterbildungsangebote könnten zukünftig für dich Sinn machen?

Verschaffe dir hierzu einen möglichst realistischen Überblick. Möglicherweise findest du dabei auch kreative Wege, wie du das eine oder andere elegant lösen kannst. Der Zugang zu Sourcing-Tools könnte bspw. auch Einfluss auf deine erste Stundensatz-Verhandlung nehmen. Das Unternehmen stellt das Tool, damit gehst du mit dem Stundensatz herunter. Für einen ersten Auftrag kann dies eine gute Lösung sein.

Sozialversicherung

Ein dritter großer Punkt für die Kalkulation deines Stundensatzes ist die Sozialversicherung. Als Freelancer bist du dabei auf dich allein gestellt. Es gibt keinen Arbeitgeber mehr, der anteilig deine Sozialversicherung mitbezahlt. Das heißt, du trägst die folgenden Kosten zusätzlich.

Kranken- und Pflegeversicherung

Die Kranken- und Pflegeversicherung sind für Selbstständige eine Pflichtversicherung. Diese kann wahlweise privat oder gesetzlich erfolgen. Wende dich am besten direkt an deine Krankenkasse, um deinen individuellen Beitragssatz ermitteln zu können. Weitere Infos erhältst du auch hier.

Rentenversicherung

Die Einzahlung in die Rentenversicherung ist als Selbstständiger freiwillig. Hierbei kannst du deinen Beitrag beliebig wählen, solange er über dem Mindestbeitrag von derzeit  96,72 € pro Monat (Stand 2023) liegt. Weitere Infos findest du hier.

Falls du dich gegen die Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung entscheidest und die private Altersvorsorge vorziehst, erstelle eine realistische Kalkulation, welchen Betrag du hierfür monatlich zur Seite legen solltest.

Arbeitslosenversicherung

Die Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung ist als Selbstständiger ebenfalls freiwillig. Du musst dich allerdings innerhalb der ersten 3 Monate nach Aufnahme deiner Selbstständigkeit entscheiden, ob du weiterhin in die Arbeitslosenversicherung einzahlen möchtest. Weitere Infos findest du hier.

Stundensatz berechnen

Die Summe aus deinen privaten und geschäftlichen Ausgaben sowie der Sozialversicherungsbeiträge ergeben deine Gesamtkosten, die du monatlich oder jährlich zu tragen hast. Dem Gegenüber steht nun die Zeit, die du hast, um diese Kosten zu decken und darüber hinaus einen Gewinn zu erwirtschaften. Wie viele Arbeitstage stehen dir dafür zur Verfügung?

Zur Berechnung der Arbeitstage kannst du das Jahr herunterbrechen auf Wochenenden, Feiertage, Urlaubs-, Weiterbildungs- und Krankheitstage. Daraus resultieren die Tage, an denen du effektiv wirtschaftlich tätig sein kannst. Eine mögliche Rechnung könnte so aussehen:

365 Tage 

– 104 Tage Wochenende

– 13 Feiertage (Durchschnitt; je nach Bundesland) 

– 25 Urlaubstage 

– 10 Krankheitstage 

– 12 Weiterbildungstage

Hieraus ergeben sich 201 Arbeitstage pro Jahr. 

Dies ist natürlich abhängig davon, wie viele Urlaubs- und Weiterbildungstage du einplanst, in welchem Bundesland du lebst und ob und wie oft du krank wirst.

Dieser Stundensatz wäre das, was du bei Vollauslastung benötigst, um alle deine Kosten zu decken. Darin enthalten sind noch nicht: “auftragsschwache” Zeiten, Vertriebstage, Messen & Events und sonstige Tage, an denen du betriebsbedingt nicht wirtschaftlich tätig werden kannst. Hier zählen natürlich auch individuelle Erfahrungswerte, aber einen Puffer einzurechnen ist nicht verkehrt.

201 Tage

– 36 Vertriebstage

Hieraus ergeben sich 165 Arbeitstage pro Jahr (ca. 14 Tage pro Monat).

Wenn du bspw. einen Monatsumsatz von 6.000 € anvisierst, um deine privaten und geschäftlichen Kosten sowie deine Versicherungen bezahlen zu können, gilt folgende Rechnung:

6.000 € / 14 Tage = 429 € Tagessatz / 8 Std. = 54 € Stundensatz

Hierauf kalkulieren wir weitere 30 % für “auftragsschwache” Zeiten, in denen du kein Geld verdienst. Eine Studie hierzu findest du hier.

54 € Stundensatz * 1,3 = 70 € Stundensatz

Um einen Monatsumsatz von 6.000 € zu erreichen, solltest du also einen Stundensatz von 70 € ansetzen. Da du deine Unternehmung aber weiter aufbauen möchtest und dir z. B. bessere Recruiting-Tools zulegen möchtest, musst du auch einen Gewinn machen und deinen Stundensatz steigern.

Stundensatz steigern

Die Basisrechnung ist für alle Freelancer gleich, egal welcher individuelle Kostenbedarf ermittelt wird. Mit der Steigerung des Stundensatzes kannst du dein Geschäft in der Folge weiter aufbauen, dir ggf. eine Messe leisten oder jemanden anstellen, der dich unterstützt. Bei der Verhandlung höherer Stundensätze fließen jedoch diverse Faktoren (Marktlage, Branche, Netzwerk,…) ein, die den Stundensatz noch einmal beeinflussen.

Kenne deinen Wert

Du und deine Fähigkeiten im Recruiting sind jetzt das Produkt auf einem Markt von vielen Optionen, wie Unternehmen ihre Stellen besetzen können. Überblicke daher die Marktlage. Für das Unternehmen ist es ebenso eine wirtschaftliche Rechnung, welche Option es zieht. Es könnte ja bspw. auch mit Personalvermittlern statt Freelance-Recruitern arbeiten. Gleichzeitig gibt es auch diverse Freelance-Recruiter, mit denen du bei der Auswahl konkurrierst. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass du deinen Wert kennst und argumentativ vertreten kannst. Achte daher auf die Tipps zum Aufbau deines Geschäfts in diesem Artikel. Mit der richtigen Spezialisierung, einem guten Ruf und entsprechenden Empfehlungen kannst du auch höhere Stundensätze verlangen. Grundsätzlich gilt: Wenn es jemand zahlt, dann bist du es wohl wert. Es gibt kein Richtig oder Falsch.

Richtig “ankern”

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Verhandlungen unangenehm sein können. Gerade am Anfang, wenn man noch unsicher ist, was eigentlich der richtige Preis ist, was andere Freelancer verlangen, etc. Man will eigentlich alles richtig machen, aber schwimmt im Meer der Unwissenheit. 

Nichtsdestotrotz ist eine Stundensatz-Verhandlung immer etwas, wo du als Freelancer erst einmal etwas vorgibst. Du “ankerst” mit einem Preis. Das heißt, du sagst zuerst eine Zahl und danach richtet sich das Gespräch und die Verhandlung aus. Dabei kommt es auch immer auf dein Gegenüber und seine Verhandlungsbasis an. Versuche aber, in einem realistischen Rahmen möglichst hoch zu ankern. Sieh dir hierzu auch diesen Vortrag bei Greator an.

Stundensatz: Das solltest du als Freelance-Recruiter mitnehmen

Der Stundensatz setzt sich also aus einer harten wirtschaftlichen Rechnung und diverser weicher Faktoren zusammen. Als Produkt auf einem Markt kannst du dich am Anfang immer erst einmal danach richten, was andere Marktteilnehmer machen. Sammle Erfahrung und Referenzen und teste mit neuen Kunden immer einmal höhere Stundensätze aus. Die weichen Faktoren werden durch so vieles beeinflusst, dass jeder seinen eigenen Stundensatz finden und verhandeln muss. Ich weiß, dass das viel “Es kommt darauf an” ist, aber du wirst in der Praxis feststellen, dass es genau so ist. Um dir trotzdem eine Richtung zu geben: Wenn du mit 70 € bis 80 € ins Rennen gehst, hast du eine gute Ausgangslage.

Von hier aus kannst du flexibel agieren. Für Aufträge mit längerer Laufzeit können auch niedrigere Stundensätze attraktiv sein. Wenn du damit “auftragsschwache” Zeiten vermeidest, gleicht sich das wieder aus oder wirkt sich sogar positiv für dich aus. In kurzen Aufträgen kannst du ggf. auch einmal einen höheren Stundensatz ausprobieren. Bedenke immer, dass es vor allem bei Bestandskunden schwierig ist, den Stundensatz deutlich zu erhöhen. 

Beachte abschließend noch das Thema Steuern. Dieses hängt wieder individuell von deiner aktuellen Situation und Steuerklasse ab. Wichtig für dich ist einfach auf dem Schirm zu haben, dass Gewinne versteuert werden und du diese Abgaben im Blick haben musst.



FAQ

Definition: Was ist ein Stundensatz?

Ein Stundensatz ist ein Betrag, den du deinen Kunden für deine geleistete Arbeitsleistung pro Stunde in Rechnung stellst.

Ist der Stundensatz brutto oder netto?

Der Stundensatz für Freelancer wird immer netto angegeben. Die Umsatzsteuer (USt.) wird separat ausgewiesen und gilt als “durchlaufender Posten”. Sie ist also der Betrag, der an das Finanzamt in gleicher Höhe weitergegeben wird.

Wie erhöhe ich meinen Stundensatz?

Wenn du deinen Stundensatz erhöhen willst, benötigst du gute Argumente für deine nächsten Verhandlungen. Der einfachste Weg ist, wenn du dir die Aufträge aussuchen und so höhere Stundensätze austesten kannst. Aber auch ohne viele Aufträge, kannst du über einen professionellen Auftritt nach außen (Webseite, Referenzen, Empfehlungen,…) deinen Stundensatz schrittweise erhöhen.